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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 24.07.2002
Aktenzeichen: 3 U 14/02
Rechtsgebiete: InsO, KO, HGB, ZPO
Vorschriften:
InsO § 21 | |
InsO § 21 Abs. 1 | |
InsO § 21 Abs. 2 2. Alt. | |
InsO § 22 | |
InsO § 22 Abs. 1 | |
InsO § 22 Abs. 1 S. 2 | |
InsO § 22 Abs. 2 | |
InsO § 22 Abs. 2 S. 2 | |
InsO § 55 Abs. 2 | |
InsO § 55 Abs. 2 S. 1 | |
InsO § 55 Abs. 2 S. 2 | |
InsO §§ 129 ff. | |
InsO § 130 | |
InsO § 130 Abs. 1 Nr. 2 | |
InsO § 130 Abs. 2 | |
InsO § 133 Abs. 1 | |
InsO § 142 | |
InsO § 142 Abs. 1 | |
InsO § 143 Abs. 1 S. 1 | |
KO § 106 | |
HGB § 441 | |
HGB § 464 | |
ZPO § 92 Abs. 2 | |
ZPO § 97 Abs. 1 | |
ZPO § 543 Abs. 2 S. 1 Ziff. 1 | |
ZPO § 543 Abs. 2 S. 1 Ziff. 2 n.F. | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 711 |
2. Der spätere Insolvenzverwalter ist selbst bei Personenidentität mit dem sog. schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter grundsätzlich befugt, Rechtshandlungen des sog. schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters gem. §§ 129 ff. InsO anzufechten.
Oberlandesgericht Stuttgart - 3. Zivilsenat - Im Namen des Volkes Urteil
Geschäftsnummer: 3 U 14/02
Verkündet am: 24. Juli 2002
In Sachen
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 10. Juni 2002 durch
Vorsitzenden Richter am OLG Richter, Richter am OLG Schabel und Richter am LG Nagel
für Recht erkannt:
Tenor:
I. Die Berufung der Beklagten wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 24.067,48 € nebst 5 % Zinsen p.A. hieraus über den Basiszinssatz seit 27.09.2001 zu zahlen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Zwangsvollstreckung oder Hinterlegung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Berufungsstreitwert: bis 25.000,00 €.
Tatbestand:
Der Kläger nimmt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Fa. die Beklagte auf Rückzahlung von 48.403,74DM (= 24.748,44 €) nach Insolvenzanfechtung in Anspruch.
Die Beklagte ist eine Spedition, die mit dem Import und der Ablieferung von Waren für die Insolvenzschuldnerin befasst war.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 19.06.2001 (K 1) wurde der Kläger auf den Insolvenzantrag der Schuldnerin vom gleichen Tag zum vorläufigen Insolvenzverwalter ohne Vertretungs- und Verfügungsbefugnis bestellt. Zu diesem Zeitpunkt war die Beklagte Gläubigerin der Insolvenzschuldnerin aus Altforderungen, die in erster Instanz unstreitig bei 48.403,74 DM lagen. Am 19.07.2001 fuhr bei der Beklagten ein Lkw mit an die Insolvenzschuldnerin zu liefernden Brückenübergängen zur Verzollung vor. Die Beklagte hatte zu diesem Zeitpunkt Kenntnis vom Insolvenzantrag der Insolvenzschuldnerin. Mit Telefax vom selben Tag teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie die Sendung nur herausgeben wolle, wenn sowohl die Rückstände der Klagforderung aus früheren Tätigkeiten als auch die laufende Verzollungs- und Abfertigunsaufwendungen ersetzt würden. Die Gesamtsumme bezifferte die Beklagte auf 58.285,62 DM (vgl. Schreiben vom 19.07.2001, K 3).
Der Kläger forderte die Beklagte auf, die Sendung Zug um Zug gegen Zahlung der laufenden Aufwendungen freizugeben. Die Beklagte weigerte sich unter Berufung auf ihr Pfandrecht, die Sendung freizugeben. Daraufhin sagte der Kläger die Ablösung des gesamten rückständigen Betrages unter dem Vorbehalt der Rückforderung der Insolvenzanfechtung zu. Die Beklagte gab daraufhin die Sendung frei.
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 31. August 2001 (K 6) forderte der Kläger, der zum Insolvenzverwalter bestellt worden war, die Beklagte mit Schreiben vom 12.09.2001 (K 7) zur Rückzahlung von 48.403,74 DM auf, was von der Beklagten durch ihre Prozessbevollmächtigten mit Fax vom 24.09.2001 (K 8) abgelehnt wurde. Der Kläger begehrte erstinstanzlich mit seiner Klage unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung Rückzahlung des geleisteten Teilbetrags von 48.403,74 DM. Der Kläger erkannte die anfechtbare Rechtshandlung in der Anlieferung der Ware und Übergabe an die Beklagte zwecks Abfertigung sowie in der von ihm unter dem Vorbehalt der Rückforderung getätigten Zahlung. Insoweit hielt er seine eigene Handlung für anfechtbar.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Mager als Insolvenzverwalter 48.403,74DM zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 29.09.2001 zu zahlen.
die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass das Insolvenzrecht mit der Möglichkeit der Insolvenzanfechtung auf das HGB-Pfandrecht des Spediteurs treffe und sich Letzteres gegenüber der Insolvenzanfechtungsmöglichkeit durchsetzen müsse. Darüber hinaus sei die Ware im Einverständnis mit dem Kläger herausgegeben worden, wodurch das Pfandrecht erloschen sei und damit auch kein anfechtbares Absonderungsrecht mehr bestanden habe. Die Ausübung eines Absonderungsrechts mit der Folge, dass der Gegenstand dem Schuldnervermögen entzogen werde, sei nicht nach der Insolvenzordnung anfechtbar. Auch eine Gläubigerbenachteiligung liege, jedenfalls in Höhe des Warenwertes (42.512,00 DM), im vorliegenden Fall nicht vor. Ein Schaden entfalle schließlich deshalb, weil die streitgegenständliche Rechnung der Beklagten zu 90 % verauslagte Einfuhr-Umsatzsteuer beträfe, die wiederum als Vorsteuer von der Insolvenzschuldnerin geltend gemacht werden könnte.
Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vertrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Das Landgericht hat der Klage durch Urteil vom 13. Dezember 2001 in vollem Umfang stattgegeben. Es hat angenommen, sowohl der Erwerb eines möglichen Spediteurpfandrechts durch Inbesitznahme der für die Insolvenzschuldnerin bestimmten Lieferung am 19.07.2000 als auch die zur Ablösung dieser Pfandrechte getätigte Zahlung seien anfechtbare Rechtshandlungen. Zur Anfechtung sei der Insolvenzverwalter auch insoweit berechtigt, als er seine eigene, als vorläufiger Insolvenzverwalter veranlasste, Zahlung angefochten habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Mit ihrer fristgerecht erhobenen und rechtzeitig begründeten Berufung greift die Beklagte das Urteil in vollem Umfang an und erstrebt Klagabweisung.
Die Beklagte macht insbesondere geltend:
Die Fracht sei lediglich zufällig wegen der Zollabfertigung in den Besitz der Beklagten gekommen. Es sei deshalb zweifelhaft, ob die Beklagte überhaupt ein Pfandrecht wegen der so genannten inkonnexen Forderungen habe geltend machen können. Wenn die Beklagte aber insoweit kein Pfandrecht besessen habe, habe sie sich auch keine Position verschafft, die ihr eine Befriedigung ermöglicht hätte. Die angefochtene Rechtshandlung sei somit nicht die Begründung eines angeblichen Pfandrechts, sondern vielmehr die Zahlung des Klägers an die Beklagte, die dieser in seiner Funktion als verfügungsberechtigter vorläufiger Insolvenzverwalter über das Vermögen der späteren Gemeinschuldnerin veranlasst habe. Mit der Stellung des Klägers als vorläufiger Insolvenzverwalter sei eine Anfechtungsbefugnis seiner eigenen Handlung jedoch nicht vereinbar. Der Kläger habe Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Schuldnerin gehabt, auf den Kläger hätten somit die Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 InsO zugetroffen. So habe der Kläger auch im eigenen Namen und nicht im Namen der Schuldnerin eine Zahlung an die Beklagte verfügt, das in Bezug genommene Anderkonto sei ein solches des Klägers, nicht der Insolvenzschuldnerin. Das Landgericht habe den Kläger daher zu Unrecht einem Sequester nach der Konkursordnung gleichgestellt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 13. Dezember 2001 (14 O 459/01) abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat im Termin vom 10.07.2002 seine Klage in Höhe von 1331,84 DM nebst Zinsen hieraus rechtswirksam zurückgenommen.
Im Übrigen beantragt er,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er verteidigt das landgerichtliche Urteil und vertritt insbesondere die Auffassung, dass der so genannte vorläufige schwache Insolvenzverwalter nach der InsO dem Sequester nach der Konkursordnung gleichzustellen sei, mithin seine eigenen Handlungen anfechten könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten führt infolge der rechtswirksamen Teilrücknahme der Klage in Höhe von 1331,84 DM zu einer geringfügigen Reduzierung des Verurteilungsbetrages. Im übrigen ist die Berufung der Beklagten unbegründet und zurückzuweisen.
I.
1.
Zur Anfechtungsbefugnis des Klägers
Der Kläger kann gem. §§ 130 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 143 Abs. 1 S. 1 InsO Rückzahlung des zur Ablösung der vor der Insolvenzantragstellung am 19. Juli 2001 entstandenen Altverbindlichkeiten von im Berufungsrechtszug noch geltend gemachten 24.067,48 € verlangen, weil die Beklagte Befriedigung in dieser Höhe auf Grund anfechtbarer Rechtshandlungen erlangt hat.
a) Der Begriff der Rechtshandlung ist nach der Rechtsprechung des BGH im weitesten Sinne auszulegen. Er umfasst nicht nur Handlungen des Gemeinschuldners, sondern auch Maßnahmen eines Gläubigers oder des vorläufigen Sequesters, durch die das Vermögen des Gemeinschuldners gemindert wird (vgl. BGHZ 58, 108, 110; BGHZ 86, 190; vgl. zum Begriff Kreft, in: Heidelberger Kommentar zur InsO, § 129 Rn. 1).
(1) Geht man mit dem Landgericht davon aus, dass die Beklagte durch Inbesitznahme der am 19.07.2001 angekommenen Brückenteile ein Spediteurpfandrecht gem. §§ 464, 441 HGB i.V.m. Ziff. 20 ADSp erlangt hat, liegt eine anfechtbare Begründung des Spediteurpfandrechts vor und Begründung, Ausübung und Geltendmachung des Pfandrechts stellen die anfechtbare Rechtshandlung im Sinne von § 130 InsO dar, gegebenenfalls in Verbindung mit der Zahlung der Altverbindlichkeiten durch den Kläger.
(2) Nimmt man dagegen mit der Berufungsbegründung an, dass die Beklagte kein Spediteurspfandrecht wegen der so genannten inkonnexen Forderungen, also wegen der Altverbindlichkeiten, erlangt hat, stellt jedenfalls die vom vorläufigen Insolvenzverwalter veranlasste Zahlung die relevante anfechtbare Rechtshandlung dar; Denn entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist im vorliegenden Fall der Kläger durch Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 19.06.2001 (K 1) zum so genannten schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt worden, der nach seiner Bestellung zum endgültigen Insolvenzverwalter durch Beschluss vom 31. August 2001 (K 6) berechtigt ist, eigene Handlungen, die er als so genannter schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter veranlasst hat, anzufechten. Die Frage, ob sich das Pfandrecht auf die so genannten inkonnexen Forderungen erstreckt hat, kann daher offen bleiben.
(aa) Nach §§ 21, 22 InsO besteht grundsätzlich die Möglichkeit, de Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit der Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots zu verbinden (§§ 21 Abs. 1, 21 Abs. 2 Ziff. 2 1. altern., 22 Abs. 1, 24 InsO) oder lediglich auszusprechen, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind (§§ 21 Abs. 1, 21 Abs. 2 Nr. 2 2. Altern., 22 Abs. 2 InsO). Der Wortlaut des Beschlusses des Amtsgerichts Stuttgart ergibt mit hinreichender Deutlichkeit, dass im vorliegenden Fall dem Schuldner kein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt worden ist. Der Beschluss enthält zwar im zweiten Absatz zweiter Satz eine Ermächtigung für den so genannten schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter, mit rechtlicher Wirkung für die Schuldnerin zu handeln, diese Befugnis wird jedoch auf Fälle dringender Erforderlichkeit eingeschränkt. Dies ist mit der Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots und dem damit gem. § 22 Abs. 1 InsO verbundenen Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf den vorläufigen Insolvenzverwalter nicht in Einklang zu bringen. Zwar sieht § 22 Abs. 2 InsO vor, dass die Pflichten eines vorläufigen Insolvenzverwalters, der bestellt ist, ohne dass dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt wurde, vom Gericht bestimmt wird. Sie dürfen aber über die Pflichten des vorläufigen Insolvenzverwalters bei angeordnetem allgemeinem Verfügungsverbot gem. § 22 Abs. 2 S. 2 InsO nicht hinausgehen. Auf Grund der bereits zitierten Beschränkungen der rechtlichen Möglichkeiten des Insolvenzverwalters kann im vorliegenden Fall in keiner Weise davon ausgegangen werden, dass die Befugnisse des so genannten schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters an diejenigen gem. § 22 Abs. 1 S. 2 InsO angenähert sind. Damit ist aber insbesondere der von der Beklagten für ihre Argumentation herangezogene § 55 Abs. 2 S. 1 und 2 InsO nicht anwendbar, denn der so genannte schwache Insolvenzverwalter kann Masseverbindlichkeiten allenfalls dann begründen, wenn er diesbezüglich durch das Gericht ausdrücklich ermächtigt ist (vgl. OLG Köln ZIP 2001, 1422;, Kirchhof, ZInsO, 2000, 296, 300; a.A. etwa LG Essen NZI 2001, 217).
Im Übrigen handelt es sich vorliegend um die Tilgung von Altverbindlichkeiten, die bereits vor Insolvenzantragstellung entstanden sind. Bereits aus diesem Grund geht es hier nicht um die Begründung von Masseverbindlichkeiten.
(bb) Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH waren auf der Basis des § 106 KO Handlungen eines bestellten Sequesters, auf den die Merkmale der Anfechtungstatbestände der Konkursordnung zutrafen, grundsätzlich vom Konkursverwalter selbst dann anfechtbar, wenn dieser zuvor zum Sequester bestellt worden war (vgl. BGHZ 86, 190; BGHZ 97, 87 = NJW 1986, 1496; BGHZ 118, 374 = NJW 1992, 2483). Nach der zuletzt genannten Entscheidung galt dies auch dann, wenn die Rechtshandlungen nicht erforderlich waren, um den Betrieb des Gemeinschuldners vorläufig fortzuführen.
(cc) Es stellt sich im vorliegenden Fall die Frage, ob diese Rechtsprechung auf der Basis der InsO Fortgeltung beanspruchen kann. Diese Frage ist in der Literatur umstritten. Im Wesentlichen stehen sich drei Meinungen gegenüber: Eine Mindermeinung lehnt die Anfechtungsbefugnis des vorläufigen Insolvenzverwalters generell ab (Bork, Einführung in das Insolvenzrecht, 2. Aufl. 1998, Rn. 208; Pohlmann, Befugnisse und Funktionen des neuen Insolvenzverwalters, Beiträge zum Insolvenzrecht 19, Köln, RWS 1998, Rn. 507; zitiert nach: Breutigam, in: Breutigam/Plersch/Goetsch, Berliner Praxiskommentar zur InsO, Stand: März 2000, § 129 Rn. 10 FN 18).
Eine weitere Mindermeinung will die Anfechtungsbefugnis des vorläufigen Insolvenzverwalters ohne Differenzierung zwischen vorläufigen Insolvenzverwaltern ohne bzw. mit Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis generell zulassen (so etwa Dauernheim, in: Frankfurter Kommentar zur InsO, 3. Aufl., § 129 Rn. 30; ebenso, Breutigam, a.a.O. § 119 Rn. 10).
Die wohl herrschende Meinung differenziert danach, ob neben der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters ein allgemeines Verfügungsverbot erlassen worden ist (dann keine Anfechtung) oder ob ein solches nicht angeordnet wurde (dann grundsätzlich Anfechtbarkeit der Rechtshandlungen des vorläufigen Insolvenzverwalters gegeben; so etwa MüKo-Kirchhof, InsO, 1. Aufl., § 129 Rn. 45, 46; derselbe in ZInsO 2000, 297, 299; Kübler/Brütting InsO, Bd. 2 2001, § 129 Rn. 17; Kreft, in: Heidelberger Kommentar zur InsO, 2. Aufl., § 129 Rn. 30; Nerlich/Römermann, InsO, § 129 Rn. 45; Hess/Weis/Wienberg, InsO, 2. Aufl., § 129 Rn. 39, 41 und § 130 Rn. 91 ff.; ebenso LG Karlsruhe ZIP 2002, 362). Der Senat schließt sich der herrschenden Meinung an. Für diese spricht insbesondere die Stellung des so genannten schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters, dem keine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners beigegeben worden ist. Dieser kann durchweg nicht anstelle des Schuldners Verbindlichkeiten begründen, sondern nur im Zusammenwirken mit ihm. Die Rechtshandlungen werden weiterhin im Namen des Schuldners vorgenommen und sind daher als solche nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens anfechtbar (Kirchhof, InsO 2000, 297). Die differenzierte Betrachtung der Stellung des Insolvenzverwalters danach, ob gegen den Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot erlassen worden ist oder nicht, ist auch am besten mit Wortlaut und Sinn und Zweck des § 55 Abs. 2 InsO vereinbar. Auch der BGH hat im Zusammenhang mit § 55 Abs. 2 InsO auf die Vergleichbarkeit der Stellung des bisherigen Sequesters mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter ohne Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis hingewiesen (BGH NJW 1997, 3028, 3029). Der Senat bejaht daher grundsätzlich die Anfechtungsmöglichkeit von Handlungen des so genannten schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters durch den späteren Insolvenzverwalter.
(dd) Nach der Rechtsprechung des BGH und wohl herrschender Meinung kann die Ausübung des Anfechtungsrechts im Einzelfall treuwidrig sein, etwa wenn der spätere Insolvenzverwalter durch sein Handeln einen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand beim Empfänger begründet hat (vgl. BGHZ 86, 190; BGHZ 97, 87 = NJW 1986, 1496, 1497). Nun hat die Beklagte in der Berufungsbegründung zwar bestritten, dass der Kläger mündlich gegenüber der Beklagten erklärt haben soll, er werde die Zahlung nach Insolvenzeröffnung anfechten. Damit ist aber die im unstreitigen Tatbestand vom Landgericht festgestellte Tatsache nicht in vollem Umfang in Abrede gestellt, wonach der Kläger die Ablösung des gesamten rückständigen Betrages unter dem Vorbehalt der Rückforderung nach Insolvenzeröffnung zugesagt habe. Angesichts des massiven Vorgehens der Beklagten, wie es im Schreiben vom 19.07.2001 (K 3) zum Ausdruck kommt, ist das Gericht auf Grund der Anhörung der Parteien im Termin zudem davon überzeugt, dass der Kläger sich die Rückforderung der geleisteten Zahlung nach Insolvenzeröffnung vorbehalten hat.
Der Anfechtungsbefugnis steht schließlich nicht entgegen, wenn der Kläger, wie die Beklagte mit der Berufungsbegründung behauptet, die Zahlung zu Lasten seines eigenen Anderkontos Nr. bei der veranlasst hat. Denn gerade dadurch zeigt sich, dass der Kläger eben nicht in genereller Weise über das Vermögen der Schuldnerin verfügen konnte. Im Übrigen hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen geltend gemacht, dass er die Ablösung von Altverbindlichkeiten in Absprache mit dem Geschäftsführer der Schuldnerin veranlasst hat.
b) Auch die weiteren Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 InsO liegen vor.
Für § 130 InsO ist eine so genannte kongruente Deckung erforderlich, also die Sicherung oder Befriedigung eines dem (potenziellen) Insolvenzgläubiger zustehenden Anspruchs (vgl. Kreft, a.a.O., § 130 InsO Rn. 10). Eine solche Befriedigung liegt hier in der Bezahlung von Altverbindlichkeiten in der im Tenor genannten Höhe vor. Eine Gläubigerbenachteiligung ist ebenfalls gegeben. Eine solche liegt vor, wenn die Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt und dadurch den Zugriff auf das Schuldnervermögen erschwert oder verzögert, wenn sich mit anderen Worten die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten (vgl. Kreft, in: Heidelberger Kommentar, 2. Aufl., § 129 Rn. 36 m.w.N.). Das Landgericht hat unter Ziff. 5. der Entscheidungsgründe zutreffend eine Verkürzung der Aktivmasse festgestellt. Hierauf wird Bezug genommen. Diese Feststellung des Landgerichts ist von der Berufungsbegründung nicht in Zweifel gezogen worden. Die weiteren Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO sind ebenfalls gegeben, die Rechtshandlung wurde nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen und dem Gläubiger war zu diesem Zeitpunkt der Eröffnungsantrag unstreitig bekannt.
2.
Kein Bargeschäft im Sinne von §§ 142 Abs. 1, 133 Abs. 1 InsO.
Ein Bargeschäft ist deshalb nicht gegeben, weil für die Leistung des Schuldners nicht unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt ist. Ein Bargeschäft im Sinne von § 142 InsO setzt zum einen voraus, dass die Leistung des Schuldners - wie die Worte "für die" zum Ausdruck bringen - mit der Gegenleistung durch Parteivereinbarung verknüpft ist (vgl. BGHZ 123, 328; Kreft, a.a.O. § 142 Rn. 4). Zudem muss die Gegenleistung des Gläubigers nach dem Parteiwillen der Verkehrsanschauung und der tatsächlichen Abwicklungung ein einheitliches Ganzes darstellen, mithin zwischen Leistung und Gegenleistung auch ein enger zeitlicher - unmittelbarer - Zusammenhang bestehen (vgl. BGH WM 1984,1430 f.; Kreft, in: Heidelberger Kommentar zur InsO, 2. Aufl., § 142 Rn. 5). An beiden Tatbestandsmerkmalen fehlt es im vorliegenden Fall. Die Leistung der Beklagten bestand nicht in der Besitz- bzw. Eigentumsverschaffung an den von der Schuldnerin bei der Fa., bestellen Brückenteilen, vielmehr lediglich in der Vornahme der Verzollung und Abfertigung, was eindeutig im Schreiben vom 19.07.2001 (K 3) zum Ausdruck kommt. Besitz und Eigentum an den am 19.07.2001 bei der Beklagten angekommenen Brückenteilen wurden dem Kläger jedoch von der Absenderin, der Fa. verschafft. Leistung und Gegenleistung waren daher nicht, jedenfalls in Höhe der Klagforderung, durch Parteivereinbarung verknüpft. Die vom Kläger in seiner Eigenschaft als so genannter schwacher Insolvenzverwalter veranlasse Zahlung diente vielmehr der Befriedigung von Altverbindlichkeiten, die bereits geraume Zeit vor Insolvenzantragstellung entstanden waren, die Leistungshandlungen der Beklagten waren somit bei Insolvenzantragstellung abgeschlossen. Die von der Beklagten erzwungene Zahlung durch den Kläger stand somit nicht mehr in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der von der Beklagten erbrachten Leistung. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten liegt somit kein Bargeschäft vor.
Die Berufung der Beklagten war daher mit der im Tenor ausgesprochenen Maßgabe zurückzuweisen.
II.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Senat lässt gem. § 543 Abs. 2 S. 1 Ziff. 1 und 2 ZPO n.F. die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts zu. Soweit ersichtlich, liegen keine obergerichtlichen Entscheidungen zur Anfechtungsbefugnis des so genannten schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters vor, obwohl diese Rechtsfrage in der Literatur heftig umstritten ist. Da diese Frage bei einer Vielzahl von Insolvenzverfahren eine Rolle spielen kann, erfordert die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ein Entscheidung des Revisionsgerichts.
Ende der Entscheidung
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